Servus, liebe Freunde der Popmusik!
Am Anfang standen oft drei Rätsel:
1. Nenne drei unterschiedliche deutsche Bedeutungen des englischen Begriffs „smart“?
2. Längstes deutsches Wort, in dem kein Buchstabe zweimal auftaucht?
3. Welche drei Zahlen ergeben bei Addition wie bei Multiplikation dasselbe Ergebnis?

Beim smart club. im Münchner Atomic Cafe hat der Türsteher die Popkids manchmal ganz schön hart rangenommen. Aber der Intelligenztest an der Eingangstür war nicht wirklich ernst gemeint, diente eher dazu, die Wartenden bei Laune zu halten. Denn die riesige Schlange vor der Tür war und ist eines der Erkennungszeichen der Freitagnacht im Atomic. Wer drin ist, merkt schnell, warum draußen noch so viele stehen und rein wollen. the smart club., das ist: Jeden Freitag Indiepop-von-übermorgen, wilde Nächte mit guten Freunden, Livebands, Discoinferno und Tanzen bis die Schuhsohlen nach verbranntem Gummi riechen.
Marc Liebscher, Münchner DJ-Legende und Manager der Sportfreunde Stiller (er ist für den Indiepop das, was Joseph Ratzinger für die katholische Kirche ist), hat den smart club. 1997 erfunden. Anfänge im Stromlinienclub, dann Umzug ins neueröffnete Atomic Café, weil besser. Dort hält sich der Clubabend hartnäckig und hat jede Pop-Mikrowelle überlebt. Ob The-New-Wave-Of-New-Wave, Britpop 2, Quiet-is-the-new-loud, oder Loud-is-the-new-quiet, Trends kamen und gingen, der smart club. blieb bestehen und war im Zweifelsfall immer schon einen Schritt weiter.
Mando Diao haben lange vor ihrem Durchbruch live im smart club. gespielt, Travis, Muse, Wir sind Helden, Sportfreunde Stiller, The Libertines, Keane, Nada Surf, Athlete, Stereophonics, Die Sterne, Kasabian und hunderte anderer. Visionär und mutig war die Auswahl der Live-Bands, manchmal auch total daneben (ich erinnere mich an etliche „Next big things“ aus England, die so grottenschlecht waren, dass sich wahrscheinlich die Bandmitglieder selber inzwischen nicht mehr daran erinnern wollen, daß sie je in einer dieser Bands gespielt haben).
War aber nicht so schlimm, denn das erklärte Credo der Clubnacht war immer: Alles ist möglich im smart club.! Es ist Platz für den 35jährigen ewigen Popnerd genauso wie für 18jährige Hipster, die kaum aus ihrem Fransenpony blicken können, aber mittendrin sind im coolsten Club der südlichen Hemisphäre. Brian Molko von Placebo hat hier mal mit einer feschen Münchnerin an der Bar rumgeknutscht. Tim Wheeler von Ash war mit seiner Band inkognito an einem Interviewtag da und tauchte auf einmal hüpfend wie ein Känguruh auf der Tanzfläche auf. Der Bassist von Primal Scream, Mani, ist hier dermaßen versumpft, daß ihn seine Band aus Versehen im Atomic Cafe vergaß. Bobby Gillespie und die anderen reisten mit dem Tourbus weiter nach Frankfurt, bis sie bemerkten, dass Mani fehlte. Der war unterdessen auf dem Fahrradgepäckträger von Stammgästen zu sich nach Hause genommen worden. Mani, der nichts dabeihatte als die Klamotten am Leib wurde von einer Münchner Mädchen-WG bekocht und bemuttert, während der Rest von Primal Scream verzweifelt aus Frankfurt alle Münchner Krankenhäuser durchtelefonierte auf der Suche nach Mani...
In allererster Linie lebt der smart club. von den Menschen und der Musik. Und von liebgewonnenen Ritualen: Wenn „Sit Down“ von James gespielt wird, setzen sich schlagartig alle (und ich meine ALLE) auf die Tanzfläche hin und beim unsäglichen „Torn“ von Natalia Imbruglia ist oft der DJ höchstpersönlich auf der Tanzfläche aufgetaucht und hat sich zur Textzeile „lying naked on the floor“, weichgekocht von Dämon Alkohol, auf dem Boden gewälzt und versucht, seine Hose abzustreifen.
Ein unglaubliches Bild ist mir ganz besonders hängengeblieben: Etwa zwanzig Jungs und Mädchen, die in der Früh nach dem smart club. noch zum Kaffeetrinken in die „Schmalznudel“ gehen wollten, einem Magnet für frühstückende Zecher und bettflüchtende Senioren. Auf dem Weg dorthin formierte sich spontan eine Indiepop-Polonaise, schraubte sich wie ein Gaudiwurm um die Säulen einer Arkadenreihe und immer neue Passanten schlossen sich dem an. Bitte, stellt es Euch bildlich vor: Es ist 5 Uhr in der Früh, da kommt einem eine Polonaise aus jungen Popfans mit Frisuren wie von den Strokes entgegen und gröhlt „Whatever“ von Oasis!
Auf dieser Compilation sind einige Klassiker der Moderne versammelt, Songs, die die smart club. Besucher regelmäßig beglücken und die jede Tanzfläche garantiert füllen. Wort drauf!
Es geht los mit Bloc Party, der New Wave/Rockbombe 2005 mit ihrer vergriffenen und raren „Little Thoughts“ Single, nicht auf ihrem Album „Silent Alarm“ enthalten! Anschliessend kommen Cosmic Casino. Münchner Lokalhelden. Inzwischen geadelt durch ihr Signing bei „Stickman Records“, der Heimat von Motorpsycho und The Wedding Present. „Repeat love pattern“ hat ordentlich PS unter der Haube.
Kings of Leon. Stellvertretend für die Strokes sind die Southern Strokeshier zu hören, die Priestersöhne aus dem Süden der USA, die immer so schön abgehangen klingen.
22-20s. Der Song aus der VW-Werbung von einem blutjungen Quartett aus Lincoln/UK, das sich dem Blues verschrieben hat. Rau.
Mando Diao aus dem schwedischen Industriekaff Borlänge sind neben den Hives und The (International) Noise Conspiracy die Aushängeschilder des jungen Schwedens mit Musik, die zwischen parkenden Volvos und Saabs in einer Garage in den 60er Jahren entstanden sein könnte.
Moneybrother, aka Anders Wendin aus Göteborg. Der formt die ganz großen Gefühle in Songs und klingt dabei manchmal so, als hätten The Style Council zwei Monate in einem Sauerstoffzelt verbracht und dann nach 15 Tassen Espresso eine Session eingespielt.

The Zutons, alte Lieblinge im The smart club., famose Liveband aus der Beatles-Heimat Liverpool, in Britannien haben sie ihr Erstlingswerk „Who killed the Zutons“ eine Viertelmillion (!) mal verkauft. Auch sie haben schon freitags das Atomic gerockt und sind hier mit einem raren Non-Album-Track vertreten.
Dogs Die In Hot Cars, der vielleicht schlechteste Bandname der Welt. Dahinter stecken fünf Schotten aus Fife mit großartigem Jodelpop in der Tradition von XTC oder den Dexy´s Midnight Runners. Einer der Favoriten der letzten Monate im smart club., lief dort sogar schon als Demoversion.
The Ordinary Boys. The Sound of young Britain. Vier Burschen aus dem Seebad Brighton, die so britisch klingen wie man nur britisch klingen kann. Produzent Stephen Street (The Smiths, Blur) hat ihnen dabei geholfen.
Timid Tiger. Newcomer aus Köln. „Miss Murray“ ist aus dem gleichen Holz geschnitzt wie „Alright“ von Supergrass, die Sorte Song, die einem gleich beim ersten Mal ins Gesicht springt und einen als Ohrwurm nicht mehr losläßt.
Rooney „ I´m Shakin´“ (aber hoffentlich nicht „..Stevens“, falls sich noch irgendwer an diese 80er Jahre Horrorfigur des Rock´n Roll erinnert..). Klingen wie ein Weezer-Destillat. Dieser Song ist schon mehrfach in der TV Serie „OC California“ gelaufen, und natürlich beim smart club..
Scissor Sisters. Fashion. Glam. Disco. Die Village People des Indie. „Take your mama“ lief schon sehr früh sehr erfolgreich im Atomic. (Und ist hier drauf, damit die Leute nicht immer den DJ fragen müssen, von wem dieser Song ist.) Wenn gar nichts mehr geht (was es ja eigentlich im smart club. gar nicht gibt), dann kommen hiermit die Leute scharenweise zurück auf die Tanzfläche.
Modest Mouse, aus einem Kaff namens Issaquah im US Bundesstaat Washington. Ihr „Float on“ wird immer gerne beim DJ bestellt, vielleicht auch, weil es für eine Ami-Rockband so untypisch groovy ist. Füllt die Tanzfläche magnetisch. Von ihrem Album mit dem schönen Titel „Good news for people who like bad news“.
The Robocop Kraus, der Stolz Frankens mit einem brandneuen Song. Aus dem kleinen Kaff Hersbruck (ansonsten nur bekannt für das „Deutsche Hirtenmuseum“) haben sie sich mit ihrem energiegeladenen Sound bis zu Japan- und USA-Tourneen hochgespielt. Jetzt sind sie frisch gesigned beim legendären Punklabel Epitaph. Wir erwarten noch Großes von den Robocops, bitte vormerken!
Danach Kasabian, aus Leicester in den englischen Midlands, einer DER Durchstarterbands des Jahres 2004. Sie beschwören den Geist des 1990er Manchester Rave mit ihrem prima Song „L.S.F.“. Bitte achtet auf den feinen Einsatz der Orgel, die Charlatans hätten das auch nicht besser hingekriegt.
Nova International, neben Anajo und Roman Fischer Vorreiter der Augsburger Schule, Stammgäste, bislang völlig zu Unrecht von der breiten Öffentlichkeit übersehen, hier mit einer bisher unveröffentlichten Nummer, der Coverversion eines Subterfuge-Songs.
Elefant. Spitzenrock aus NYC aus dem Interpol Umfeld. Mit argentinischem Sänger und großen Emotionen. Vor ihrem vielversprechenden Debut stehen die Dogs, ein Quintett aus London. Gelten als Speerspitze der jungen Bands, die sich am Sound von alten Helden wie The Clash und neuen Helden wie den Libertines orientieren. Merke: Es ist kein weiter Weg von „London calling“ zur „London Bridge“.
The Cribs. Drei Brüder aus Wakefield (musste auch nachschauen, liegt im nordenglischen Yorkshire!). Spielen seit 16 Jahren zusammen, wurden aber erst spät entdeckt, waren zuletzt als Vorgruppe mit Bloc Party unterwegs. Im smart club. kommt das genauso gut an wie die Klassiker von Blur oder Oasis.
The Features. Großartiger Powerpop der ehemaligen Schülerband aus Sparta/Tennessee. Es mag eine Million Arten geben, den Blues zu singen, sie haben hier den besten Weg eingeschlagen. Erinnern ein wenig an die Rentals und sind auch schon live im smart club. aufgetreten.
The Departure aus Northampton, einer der noch zu entdeckenden britischen Rohdiamanten. Stehen vor ihrem mit Spannung erwarteten Debütalbum.
Tocotronic, unsere (mittlerweile vier) Lieblings-Hamburger. Ganze Generationen von intelligenten jungen Menschen sind von Dirk, Jan, Arne und dem Neuen maßgeblich musikalisch sozialisiert worden, deshalb dürfen sie hier nicht fehlen. Zumal ihr Album-Motto „Pure Vernunft darf niemals siegen“ den smart club. gut charakterisiert, smart zu sein ist nicht alles...
Ian Brown, Ex-Sänger der alten Ravehelden Stone Roses aus Manchester ist ein großer Held aller smart club. DJs und wird das immer bleiben mit seiner weichen Schmeichelstimme.

Es ist unmöglich, die ganze Magie eines smart club. Abends zu vermitteln, dieses Album liefert Euch aber immerhin den Soundtrack dazu.
Die DJs Marc Liebscher, Henning Furbach und die Macher des Atomic Cafés haben ein musikalisches Kompendium geschmackvoller Popmusik von heute für Euch kompiliert. Kauft es zahlreich, macht es zum Hitalbum, dann ist auch für Volume 2 garantiert und es wird eine Serie daraus wie die „Now that´s what I call music “ CDs in UK, die mittlerweile bei Folge 247 angelangt sind! Ich bau auf Euch.
Das nächste Mal dann vielleicht mit den Futureheads, The Rakes, VHS or Beta, Longcuts, The Magic Numbers, The Bravery, Nine Black Alps, The Others, The Black Velvets, The Subways, The Dead 60s, Hard-Fi, Art Brut, Five!Fast!!Hits!!! und wie auch immer all die Bands von morgen heißen werden...

Achim 60 Bogdahn im Mai 2005
Zusammenstellung: Marc Liebscher aka Britpope
Mastering: Telstar Studio
Artwork: S.P.E.C.T.R.E.
Project Management: Anusch Mehdizadeh
Vertrieb: Groove Attack