Bienvenu à French Cuts 3
Und weiter geht’s - toutes les biens choses sont trois!
Knapp drei Jahre ist es jetzt her. Allerhöchste Eisenbahn für einen weiteren Freudenspender aus unserer French Cuts Reihe, wie er nicht nur in dutzenden von Briefen jede Woche eingefordert wird.
Hier ein Auszug aus einem besonders dämlichen: „Hallo zusammen ...
ich habe sie für alle meine Freunde gebrannt ... zum Glück habt Ihr keinen Kopierschutz auf Euren Scheiben ...
ich freue mich schon auf Teil 3, dann kann ich mir wieder ein bisschen Geld verdienen und Platten von meiner Lieblingsband Aerosmith kaufen ...“ Danke, Michael!
An unsere echten Frenchpop-Freunde: Das Warten hat sich gelohnt – wieder gibt es eine vielseitige Sammlung von Musikrichtungen: Freakbeat, funky Rock, Psych-Pop, R&B, Brazil und Yé-Yé.
Ihr bekommt Eure bekannten Helden, wiederentdeckte verloren geglaubte Perlen und ein paar zeitgenössische Bands, die im Erdbeerfeld der 60s gepflückt haben und in der Gegenwart einen leckeren Kuchen draus backen.
Es schmeckt uns gut, dass die französische Musik dieser Zeit nicht nur von ein paar verwirrten Nostalgikern geschätzt wird, sondern nachhaltig Einfluß auf die aktuelle Entwicklung genommen hat. Im Moment wird sogar eine vielversprechende französische Doku namens „Bardot A Go Go“ gedreht.
Aber nun zurück zu unserer Platte:
Eine Roboterstimme mit französischem Akzent zählt den Countdown ein und das Orchester hebt mit einer Melodie ab,
die jeder Deutsche, der in den letzten 30 Jahren gefernseht hat, sofort erkennt:
„Raumpatrouille Orion“ vom
„Peter Thomas Sound Orchester“!
Die instrumentale Version dieses Klassikers ist weithin bekannt – weniger präsent ist die phantastische Vokalversion der Schweizer Sängerin Virginie Rodin.
Wie wär’s mit ’nem kleinen Trip nach Brasilien mit Brigitte Bardot:
„Tu Veux Ou Tu Veux Pas?“
Ihre Uptempo-Version des Wilson Simonal-Stückes „Ne Ven Que Vao Ten“ ist recht lustig und funky zugleich.
Die ein oder der andere mag die Melodie noch von einer anderen Aufnahme dieses netten Songs kennen, die in dem brasilianischen Kassenschlager
„City Of God“ zu hören war.
Weiter geht’s mit einem antreibendem R&B-Knaller von Erick St. Laurent.
„Le Temps D’y Penser“ (co-written by Monty) klingt wie eine Fuzz-getränkte schnellere Version von „Good Times“ (Nobody’s Children) mit einem von Richard Kent gestyltem Sound, die jede Mod-Crowd zum Tanzen zwingt;
by the way, „Le Temps D’y Penser“ wurde auch von Blurs Lieblings-DJ Andy Lewis vom Blow Up Club gesampelt.
Ein weiterer Sänger aus der Schweiz ist Larry Greco (in echt: Roger Dugalier), der 1963 seine Karriere als Rock’n’Roll- Sänger startete, sich dann aber gegen 1965 eher dem R&B zuwandte, wie man bei „C’est Fini, Bien Fini“ gut hören kann.
In den frühen 60s wurde Frankreich
von einem Triumvirat der Rock’n’Roll Superstars beherrscht: Johnny Hallyday, Dick Rivers and Eddy Mitchell (damals ging’s also schon los damit, mit diesen bösen Anglizismen, die fortan die Grande Nation in tiefe Verzweiflung stürzen sollten). Eddy Mitchell begann 1959 mit seiner ersten Rockabilly Band, die sich zuerst „ Les Fives Rocks und später „Les Chaussettes Noires“ nennen sollte. 1963 dann kam es zum Bruch mit der Band, Eddy schrieb seine eigenen Songs und spielte einige ausgezeichnete Covers wie z.B. „Vieille Fille“ (Spinning Wheel) von den Blood Sweat & Tears ein. Leider (für ihn) war seine Soul-Phase kommerziell lang nicht so erfolgreich, wie seine Zeit als R’n’R- Sänger.
Claude Francois, von seinen zahlreichen Fans liebevoll „Cloclo“ genannt, wurde in Ägypten geboren, während sein Vater beim Bau des Suezkanals mithalf.
Im Alter von 16 wurde ihm eine Goldmedaille im 100-Meter-Sprint verliehen – von Präsident Nasser persöhnlich. Als die Familie nach Frankreich zurückkehrte, wurde er schnell ein populärer Sänger, der diverse Motown-Songs coverte. Zu dieser Scheibe steuert er eine wesentlich schwungvollere Darbietung von
„I’m Alive“ bei, als es das Original von Tommy James and the Shondells in deren Interpretation war. Darüberhinaus ließ er sich wohl von Motown dahingehend inspirieren, daß er in seinen späteren Shows stets Tänzerinnen am Start hatte, die sich Claudettes nannten. Claude Francois lebte ein turbulentes Leben und starb 1978 tragisch an einem Stromschlag in seinem Badezimmer.
1968 drehte Pierre Roustang
„Les Teenagers“, eine Dokumentation, die Ebensolche und deren Lebensverhältnisse an verschiedenen Orten dieser Welt verewigen sollte. Thierry Vincent spielte das Titelstück zu den Szenen im München der 60ger Jahre (Schwabing und so ...) – es heißt „Munich Party“ und enthält eine Menge der typischen Handclaps dieser Ära
(die etwas maulfaulen Bayern klatschten einfach in die Hände und die Bunnies ...). Auf deutsch hieß der Film „Die Sexuelle Revolution“, wohl um die Teenager, die ja eigentlich schon wußten, wie sie selber so sind, dann doch noch in die Kinos zu locken.
Den nächsten Song, von Neil Diamond geschrieben, kennt jedes Kind: „I’m A Believer“, zumindest in der noch populäreren Version der ersten fürs Fernsehen gecasteten Beat-Boyband The Monkees - kaum jemand hingegen kennt die französische Version von Erick St. Laurent aus dem Jahr 67: „J’ai cru à mon rève“ (ich glaubte an meinen Traum).
Die erste aktuelle Band hier drauf ist Notre Dame. Die sind - Überraschung! - aus Frankreich und singen „Sur Ton Respondeur“ (auf deinem Anrufantbeworter). Sie ist nicht daheim, aber er gibt’s einfach nicht auf, sie immer wieder anzurufen – eigentlich ganz romantisch, oder? Sieht die EU ganz anders: wenn’s nach denen geht, gibt’s für sowas (‚Stalking’) bald bis zu 3 Jahre Ochsenzoll. Das schöne an den 60s war doch mitunter, daß sie noch nicht so überbürokratisiert waren: PC/WC!
Frank Alamo, Sprößling eines großen französischen TV-Geräte-Herstellers, entschied sich gegen den Willen von Papi für Ruhm und Ehre. Sein Künstlerpseudonym hat er sich vom John Wayne-Streifen „Fort Alamo“ geschnappt, wurde von Celebre und Barclay gesignt und hatte eine Reihe von Hits als ‚König der Coverversions’: „Sweets For My Sweet“ (Biche, ma Biche), „I Wanna Hold Your Hand“ (Je Veux Prendre Ta Main), „The Leader Of The Pack“ (Le Chef De La Bande) und „Happy Together“ (Heureux Tous Les Deux) von unserer Kompilation (der Song wurde durch die Turtles weltbekannt, geschrieben aber von Gary Bonner und Alan Gordon, Bassist und Drummer von The Magicians aus der Boston Area). Nach drei erfolgreichen Jahren hatte er dennoch genug vom Musikbusiness und wurde Pressephotograph.
Geboren in Viêt-Nam, begann Eric Charden als Folksänger. Es dauerte aber nicht lange, bis er den Möglichkeiten, die moderne Popmusik damals schon zu bieten hatte, nicht mehr widerstehen konnte: Er verband Pop, Soul und Funk und packte groovy Streicher dazu. Das Ergebnis: was „Petite Fille“. Ooh - lalalalaah!
In den Fifties lebte ein Jüngling in Nizza, Hauptstadt der Côte d’Azur. Sein Name war Hervé Forneri und als der Teenager die magischen Worte C... Cola, Rock’n’Roll und Jukebox vernahm, erkannte er seine Mission:
Er übernahm das Alter Ego seines Idols Elvis Aaron Presley (8.1.1935-16.8.1977+x) aus dem Film „Loving You“ an: Dick Rivers, und wurde ein Rock’n’Roll-Star mit seiner Combo Les Chats Sauvages (Die Wilden Katzen). In den 6Ts erkannte er die Zeichen der Zeit und änderte - wie viele seiner Kollegen – seine Stil dementsingend.
„Via Lucifer“ hat nichts mehr mit klassischem Rock’n’Roll zu tun. Auf dem Picturecover der Single ist sein Gesicht auf einen Kastanienblatt gedruckt, das rein zufällig einem Marijuanablatt ähnelt ... Der Song vereint exotische Sitarsounds (gespielt von Sullivan, Interpret von „Hashish Faction“ auf French Cuts 1) mit verzerrten Gitarren und verwirrenden Texten über einen Mann (den Teufel), der seine Frau stiehlt und seine Freunde verrät.
Ein anderer junger Mann, der im Land der Freedom Cuts geboren wurde, Jack Treese, entschied sich eines schönen Tages, für ein paar Monate nach Paris zu ziehen und blieb dann dort für den Rest seines Lebens hängen. Er lernte Französisch recht schnell und machte seine erste Aufnahme namens „Je Suis Un Éléphant“, ein trippy Freakbert Stück mit Orgel, Echoeffekten und Dschungelgeräuschen. Der Text klingt ein bißchen danach, als hätte er die Sprache anfangs aus französischen Kinderbüchern gelernt: „Ich bin ein Elephant, meine großen Ohren flattern im Wind, mein Rüssel trickst alle Leute aus ... die Vögel singen in den Bäumen ...“
Jacques Bulostin, der später zu Monty montierte, hatte gute Noten in der Schule und wurde deshalb zu einer englischen Austauschfamilie geschickt (Her mit den kleinen Engländerinnen!). Dort war er auch recht fleißig, besuchte aber auch gerne kleine Jazz-Clubs und hörte Cliff Richards-Platten. Als er nach Frankreich zurückkam, entschloß auch er sich, Sänger zu werden! Blöderweise war sein Vater nicht derselben Meinung und schickte ihn ins Ausland für eine sogenannte gute Erziehung. Jacques gehorchte nur ungern und begann seine Kompositionen heimlich an viele Plattenlabels zu schicken. Schließlich wurde er von Barclay unter Vertrag genommen und nahm in den darauffolgenden Jahren mehrere Hits auf. Wir haben davon „Une Fois“ ausgewählt, zwar nicht von ihm geschrieben, aber eine vorzügliche Coverversion von „For your Love“ (Yardbirds).
Achtung: Psychedelic! Diese Art von Musik war in Frankreich klar Underground (die konservative Regierung war nicht gerade scharf auf den Einfluß, den anglo-amerikanische Popkultur auf ‚ihre’ Jugend hatte). Doch es gab ein kleines gallisches Dorf ... Eine der Gruppen, denen’s wurscht war, waren die 5 Gentlemen. Sie schrieben einen kritischen Song über das damalige Super-Model Twiggy: „Kleine Prinzessin im Königreich der Cover-Girls... aber Deine großen Augen weinen...“ – all das Geld und der ganze Ruhm helfen einem nicht weiter, wenn man einsam ist ...
Und nun, meine Damen und Mädchen, sind wir stolz zum zweiten Mal (siehe French Cuts 2) die münchner Frenchpop-Band Phonoboy (die ihren Namen einem portablen Plastikplattenspieler verdanken) zu präsentieren. Sie haben uns eine bislang unveröffentlichte roughere Version ihrer Hommage an unsere Discothecque zur Verfügung gestellt: „Atomique“ – wie „C’est Ma Vie“ ist sie sehr tanzbar mit einem stompy 6Ts Beat.
Gefolgt von einer weiteren Franzosen-Beat-Band unserer Tage: Les Terribles. Laut ihrer knappen Bio besteht die Band aus einer Gitarre, einer Orgel, einem Bass, einer leeren Kasse, ein paar Mikros, mehreren Litern Alkohol, Diabolo Mints (?), einer Menge Auftritten, ein paar Demos und einem Album auf Dionisus. Um ihre Website zu zitieren: „ TO OUR ENGLISH READERS: Story of the group. They got together and then they play music.“ Was braucht man sonst noch zu wissen? It makes you wiggle your foot the minute it starts - try it!
Claude Channes, der auch einen Song zu Jean-Luc Godard’s Film „La Chinoise“ begesteurt hatte, hat für uns „Mon Pote Rallo“ im Angebot. Sein Kumpel Rallo scheint ein ziemliches Ärgernis zu sein. Er säuft viel Rotwein, spielt Gitarre in der U-Bahn und geht grundsätzlich allen auf die Nerven.
Régis Barly beschwert sich über die „Faux Beatnick“ (Fake-Beatniks, echte schreibt man ohne c): „Ihr hört englische Bands, aber Ihr versteht kein Wort von dem, was sie singen: Trotzdem ruft Ihr oh yeah!“
In den Sixties wurde sie „la bombe androgyne“ getauft: Dani - Sängerin, Schauspielerin, Mannequin, Nachtclubbesitzerin und Groupie (sie begleitete die Stones, Jim Morrison und Jimi Hendrix) war eine schillernde Persönlichkeit ihrer Zeit (vergleichbar mit Nico von den Velvet Underground). Sie hatte mehrere Comebacks und ist auch heute noch aktiv, nimmt z.B. mit Gonzales und Feist auf. Ihr Lied „H Comme Hippies“ zeigt den Geist der nach-’68-Hippie-Ära: „Sie sagen, Du bist Florist und Du magst Hippies ... Sie sagen, Du organisierst Hippie-Treffen und Du rufst „I love you“ - ist es wahr, daß Du Blumen in Deinem Herzen trägst?...“
Eine besonders talentierte junge Dame wurde in Tunesien geboren – Sängerin, Komponistin und Hitschreiberin für sich selbst und Kollegen wie Jeane Manson, Michel Fugain und Eric Charden. Ihr Name ist Jaqueline Taïeb und sie ist hier mit einem ihrer Lieblingssongs - wie sie uns mitteilte - vertreten: „Le Coeur Au Bout Des Doigts“. Wir sind ihr zu besonderem Dank verpflichtet, weil sie uns Adressen und Telephonnummern von Künstlern gegeben hat, die wir alleine wohl nicht so leicht rausfinden hätten können. Dieser Sampler wäre ohne sie nicht derselbe - danke Jaqueline - Du bist die Beste!
Der nächste Beitrag wurde just in time für diesen Sampler fertiggestellt: „Blow Up“ von Janea Et Alfa (von den Popshoppers) teilt nicht nur den Titel mit dem berühmten Antonioni-Film. Der groovy French-Pop (äh Freedom-Pop) Song handelt von einem Photographen, der schlüpfrige Bilder von Mädchen macht ...
Einer von Jaqueline Taïebs Freunden, Michel Fugain, startete seine Solo-Karriere bereits in den 60s, hatte aber erst ab 1972 seine größten Erfolge, als er eine Truppe aus elf Musikern, Tänzern & Sängern gründete und sie Le Big Bazar nannte. Sie tourten vier lange Jahre äußerst erfolgreich durch Frankreich. „Allez Bouge-toi“ (Los, beweg Dich!) ist eine Mitreißende Mischung aus Rock, Funk und Latinelementen.
Zum zweitenmal, Eric Charden: „Amour Limité Zéro“ ist eine traurige Liebesgeschichte: „Ich bin verloren ohne Dich, Ich habe mich verloren ohne Dich, die Erinnerungen überwältigen mich, ich bin verloren ohne Dich...“ Abgesehen von dem Text derbe Garage mit Northwest-Punk-Gitarrenriffs - which means a lot of oomph.
Und zu guter letzt eine definitive Hymne für sowohl den French-Beat- als auch den early Electronica-Freund: „Psyché Rock“ by Pierre Henry. Wenn Du glaubst, Du kennst es schon irgendwoher, hast Du sicherlich Recht; es wurde millionenfach gesamplet und re-gemixt, am bekanntesten vom Fatboy Slim. Es gibt das Gerücht, daß Matt Groening „Psyché Rock“ als Titelmelodie für „Futurama“ wollte; unglücklicherweise bekam er nicht die Rechte (wir schon – he he!) – so daß er Christopher Tyng mit der Komposition einer ähnlichen Melodie beauftragt hat. Mehr als ähnlich, wenn Ihr mich fragt.
So - das war’s für jetzt.

Á bientôt
Martin Hemmel

Zusammenstellung: Martin Hemmel
Mastering: Telstar Studio
Graphics: S.P.E.C.T.R.E.
Photos: Gesa Simons
Project Management: Anusch Mehdizadeh
Vertrieb: Groove Attack